Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat am 13. Juli 2006 die Urteile in Klageverfahren gegen den Planfeststellungsbeschluss des nordrhein-westfälischen Verkehrsministeriums vom 28. Dezember 2004, mit dem die Verlängerung der Start- und Landebahn des internationalen Verkehrsflughafens Münster/Osnabrück (FMO) von 2170 m auf 3600 m zugelassen worden ist, verkündet.
Die auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gerichteten Klagen, darunter diejenige des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu), hat das Gericht abgewiesen. Auf Hilfsanträge von Privatpersonen hin hat es allerdings das Ministerium verpflichtet, über die Zumutbarkeit des Nachtflugverkehrs (22.00 Uhr bis 6.00 Uhr) auf der neu gestalteten Start- und Landebahn erneut zu entscheiden. Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt:
1. Eingriff in FFH-Gebiet nur von geringer Intensität
Eine zur Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses führende Rechtsverletzung sei nicht gegeben. Insbesondere liege keine Beeinträchtigung von auch europarechtlich geschützten Belangen der Natur vor, auf die insbesondere der Nabu verwiesen hatte. Zwar durchschneide der Ausbau der Startbahn einen Bereich des Eltingmühlenbachs, der zu einem geschützten Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung im Sinne der sog. Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie gehöre. Der Eingriff in dieses Gebiet sei aber insbesondere wegen früherer Veränderungen durch Straßenbaumaßnahmen am Bach nur von geringer Intensität. Er werde durch die für die Ausbaumaßnahme angeführten Interessen gerechtfertigt. Der Ausbau diene dazu, den Flughafen entsprechend seiner Stellung als internationalem Flughafen zu entwickeln. Dies entspreche landesplanerischen Vorgaben und unterstütze zugleich eine Dezentralisierung des Flughafensystems mit positiven Folgen für die Region und für den Wettbewerb im Luftverkehr.
Die für das Vorhaben sprechenden Verkehrsinteressen rechtfertigten unter Berücksichtigung der im Planfeststellungsbeschluss bereits vorgesehenen Schutz- und Ausgleichsmaßnahmen grundsätzlich auch die von den privaten Klägern befürchteten Lärmbelastungen am Tage.
2. Nachtflugregelung mit Abwägungsmängeln
Hinsichtlich des Luftverkehrs in den Nachtstunden (22.00 Uhr bis 6.00 Uhr) leide der Planfeststellungsbeschluss allerdings an Abwägungsmängeln. Der Beklagte habe bei seiner Entscheidung, es bei der bisherigen Nachtflugregelung zu belassen, u.a. nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Flughafen durch den Ausbau eine neue Gestaltung erfahre, welche die Flugbewegungen erleichtere und erstmals einen direkten Interkontinentalverkehr ermögliche. Bei der erneuten Entscheidung über die Zulässigkeit des Nachtflugverkehrs habe das Ministerium Ermittlungen über den Grund sowie die Vorteile des Flugverkehrs in der Nacht vorzunehmen. Dabei seien auch die bei anderen Flughäfen gemachten Erfahrungen zu berücksichtigen. Ferner müsse geprüft werden, ob sich für einzelne Verkehrsarten, wie etwa Frachtverkehr, und bestimmtes Fluggerät Besonderheiten ergeben. Allerdings hat das Gericht auch darauf hingewiesen, dass die nähere Umgebung des Flughafens keine größeren Wohnsiedlungsbereiche aufweise und auch bisher schon nächtlichem Fluglärm ausgesetzt sei.
3. Mögliche Rechtsmittel
Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht nicht zugelassen. Dagegen ist die Beschwerde möglich, über die das Bundesverwaltungsgericht entscheidet.
Aktenzeichen: 20 D 80/05.AK, 20 D 87/05.AK, 20 D 89/05.AK
4. Bewertung
Diese erste obergerichtliche Flughafenentscheidung nach dem wegweisenden Schönefeld-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bestätigt, dass Fluglärm zur Nachtzeit den schutzwürdigen Wohnanliegern wegen der Gesundheitsgefahren in der Regel nicht zumutbar ist. Das Bundesverwaltungsgericht hatte im Urteil vom 16. März 2006 grundsätzlich entschieden, dass es der Planungsträger auch bei einem stadtfernen Flughafen, der gleichwohl im An- und Abflugbereich von Siedlungsflächen umgeben ist, mit
"bloßen Maßnahmen des passiven Schallschutzes nur dann bewenden lassen (darf), wenn gewichtige Bedarfsgesichtspunkte es rechtfertigen, die Lärmschutzbelange der Nachbarschaft hinter die öffentlichen Verkehrsinteressen zurückzusetzen."
Solche gewichtigen Gesichtspunkte eines Luftverkehrsbedarf zu Gunsten von Nachtflügen sieht auch das Oberverwaltungsgericht für den Flughafen Münster Osnabrück als nicht gegeben an. Im Ergebnis dürfen die Anwohner auf die geforderte erneute Entscheidung der Planfeststellungsbehörde die Erwartung setzen, dass trotz der gegebenen Vorbelastung durch Fluglärm ihnen ein Leben und Schlafen hinter geschlossenen und stark schallgedämmten Fenstern mit Zwangsbelüftung der Räume erspart bleibt.
Autor: Matthias Möller-Meinecke, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verwaltungsrecht
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